Das Feld der psychoonkologischen Begleitung ist groß, da die psychische Belastung durch onkologische Erkrankungen sehr groß ist.
Wird vorher mit Angst und Unruhe die Diagnose erwartet, werden Hoffnungen gehegt und wahre Horroszenarien geträumt, so bedeutet die endgültige Diagnose den tatsächlichen Einschnitt im Leben des Betroffenen. Die Schuldfrage steht gleichwohl im Raum. Wer ist am Krebs schuld? Die Ernährungsweise, die Verhaltensweise, die Vererbung, äußere Einflüsse wie Stress oder Probleme? Oder ist es gar eine Rache oder Strafe von höheren Wesen? Klinische Studien konnten mittlerweile belegen, dass sowohl charakterliche Prädispositionen als auch seelische Belastungen keine oder nur verschwindend geringe Rolle bei Tumorerkrankungen spielen. Dennoch scheint die Zahl derer höher, die introvertiert sich alles zu Herzen nehmen, als derer, die fröhlich in den Tag hinein leben. Dennoch ist es wichtig, glaubt man der Aussagekraft der Studie, dass die Relevanz emotionaler und persönlichkeitsbildender Faktoren eher gering bis nicht vorhanden ist. Eine große Rolle spielt hingegen das alltägliche und auch historische Lebensverhalten wie Ernährung etc. Auch die erbliche Vorbelastung ist entscheidend. Rauchen, Alkohol, Schlafmangel, Drogen und sonstige schädigende Einflüsse können genauso Auslöser sein wie einseitige und gefährliche Arbeiten in Strahlungsnähe oder mit asbestverseuchten Materialien.
Die psychische Hauptbelastung ist die Angst vor dem Tod, den Schmerzen, dem Siechtum oder dem Verlust der Kontrolle. Diese Angst ist nicht unbegründet und daher stets präsent. Dennoch erfüllt das Gefühl “Angst” wichtige Aufgaben im Körper. Sie kann die Sinne “schärfen” und die Wahrnehmung erhöhen. Durch sie wird positiver Stress ausgelöst, der Adrenalin ausschüttet und dem Körper u. a. ermöglicht, für kurze Zeit mehr Kraftreserven zur Verfügung zu haben. Andauernde Angst verwandelt sich aber in Distress. Dieser führt zu körperlichem Abbau und Überforderung. Eine Folge davon können Resignation, Depressionen und Suizidgedanken sein. Angst macht sich oft selbständig und wirkt besonders stark bei unkonkreten Projektionen.
Krebs ist peinlich? Krebs ist belastend? Krebs ist Versagen? Hüten Sie sich davor, nur annähernd diese Richtung Ihrer Gedanken zuzulassen. Beziehen Sie Ihre Angehörigen immer ein, denn sie haben ähnliche Ängste und Sorgen, können aber nicht primär helfen. Erleben Sie die Hilflosigkeit Ihrer Angehörigen und stärken Sie sie mit konkreten Anfragen und Bitten. Gerade alltägliche Probleme können zu Spannungen führen. So wird sich bei einer Chemotherapie eventuell Ihr Essverhalten ändern, eine Appetitlosigkeit einsetzen, der von Ihren Angehörigen mit besonderer Sorgfalt in der Auswahl der Speisen entgegengewirkt wird. Sagen Sie offen, warum Sie appetitlos sind und informieren sie sich über die Möglichkeiten ernährungsalternativer Möglichkeiten. Nur das gemeinsame Wissen verhindert Missverständnisse und baut ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis auf. Mit der Krankheit bekommen Sie auch die Verantwortung über die Kommunikation zu Ihren Angehörigen. Eine wichtige Sonderform nimmt Sexualität und Partnerschaft ein. Gerade bei genitalrelevanten Krebserkrankungen wie Peniskrebs, Hodenkrebs, Gebärmutterhalskrebs etc. sind die Ängste und die Scham groß. Aber auch Amputationen der weiblichen Brust belasten die Frau stark. Daher ist gerade bei einer solchen Behandlung und Entscheidung begleitende psychologische Beratung und Betreuung dringend notwendig. Nachlassende Libido, ausgelöst durch Angst und Nebenwirkungen, aber auch durch die ungünstig veränderte Bewertung des eigenen Körpers können zu tiefgreifenden Belastungen in der Partnerschaft führen.
Pläne und Ziele gehören zum Sinn des Lebens. Den aufzugeben, heißt sich selbst aufzugeben. Daher ist es wichtig, krankheitsangemessene Umbewertungen der eigenen Ziele zu erarbeiten. Oft sind frühere Lebensziele obsolet geworden. Eine Neuorientierung ist erforderlich. Das muss nicht zwangsläufig die Hinterfragung bisheriger Zielsetzungen sein, schließt aber eine kritische Betrachtung nicht aus. Ziele sind in verschiedenen Zeiträumen zu setzen. War es vor ein paar Jahren noch das Ziel, ein eigenes Haus zu besitzen und mit einer vielköpfigen Familie darin zu leben, so kann das neue Ziel sein, wieder ohne fremde Hilfe spazieren gehen zu können. Vergliche man beide Ziele miteinander, käme man unweigerlich zu einer abwertenden Beurteilung über das zweite Ziel. Aber der Vergleich hinkt. Jedes Ziel ist der jeweiligen Lebenssituation angepasst und somit eigenständig. Die erforderliche Arbeit und Bemühung, ein Ziel zu erreichen, können gleich geblieben sein. Ein Ziel dient nicht so sehr der Erfüllung als Endstadium des Glücks, sondern als Gerüst für den seelischen und körperlichen Aufbau. Ziele können aber auch Erfahrungen sein, die man machen möchte, bisher aber nie dazu kam. Die Reise, der Besuch, die Veranstaltung, das Wellnessprogramm, das Hobby - auch das sind persönliche Ziele, die eine ganz neue Präferenz bekommen. Vertrauen Sie also nicht nur Ihrem Arzt oder Ihren Angehörigen, vertrauen Sie in erster Linie sich, diese Ziele meistern zu können. Bedingung ist aber immer, die gemeinsame und realistische Einschätzung seines eigenen körperlichen und seelisch-geistigen Vermögens.